Einige Wochen voller Studien waren ins Land gezogen. Tage und Wochen in denen die Mädchen unter der Anleitung ihrer Lehrerin vieles über Gepflogenheiten eines sittsamen und gesellschaftlichen Lebens gelernt hatten.
Ein Tag anstrengender und gefüllter mit neuen Regeln als der nächste. So war es kaum verwunderlich, dass die jungen Frauen abends oft wie Steine in ihre Betten fielen und jede Minute ihres Schlafes auskosteten. Vielleicht auch um sich Mrs. Lights strengem Blick und ihrer Wachsamkeit wenigstens für ein paar Stunden entziehen zu können.
So wie es auch an diesem Morgen der Fall war.
Der Tag war angebrochen und auch wenn die Sonne noch nicht über den Horizont gestiegen war Stand die grauhaarige Herrin des Hauses bereits in der Küche um das Essen für den kommenden Abend vorzubereiten. Dies würde sie sonst nicht tun, allerdings stand heute einiges für ihre Schülerinnen an und sie wollte diese, so viel sie konnte, bei den Studien unterstützen. Leider hatte ein Tag mit vollem Programm die gleiche Anzahl an Stunden wie jeder andere auch, so mussten diese noch sinnvoller gestaltet werden.
Dennoch durften die geregelten Rituale und Tagesabläufe nicht aus der Ruhe gebracht werden, so dass alle Bewohner des großen Hauses pünktlich um acht Uhr beim Frühstück.
Maria war aufgefallen, dass alle Mädchen im Verlauf der letzten Wochen viel stiller geworden waren. Keine heiteren Gespräche mehr in den Pausen, jedenfalls keine die sie mitbekam und auch sonst schienen ihre Schülerinnen an Energie zu verlieren.
Besonders Eunmi hatte die Grauhaarige dabei im Blick, immerhin war sie das erste der sechs Mädchen, welche einem respektablen Mitglied der Gemeinde versprochen worden war. Zwar war ihr Studium noch nicht ansatzweise am Ende angelangt, dennoch hatte die junge Blondine ein Ziel vor Augen, auf dass es sich, in den Augen der Älteren, hinzuarbeiten lohnte. Jedoch schien die junge Asiatin sich seit dem sehr viel ruhiger und verschlossener zu verhalten und sich etwas von den anderen Mädchen zu distanzieren. Mrs. Light hoffte, dass sie sich wieder besinnen und engagierter Arbeiten würde.
Als die Alte nun endlich das Esszimmer verlassen hatte, um den Unterricht vorzubereiten, ging ein deutlich hörbares Ausatmen durch die Runde, fast so als hätten sie alle während des Frühstücks den Atem angehalten.
„Das kann doch so nicht weitergehen“, fluchten Esmeé und Gina beinahe gleichzeitig und fast alle Mädchen nickten zustimmend.
Nur Eunmi sagte nichts, griff nur nach ein paar Schalen und verließ schnellen Schrittes den Raum in Richtung Küche.
Alle Blicke richteten sich auf Jennifer und löcherten sie mit fragenden Blicken. Doch statt einer Antwort schüttelte diese nur mit dem Kopf, strich sich seufzend durch ihr Haar und folgte schweigend ihrer Zimmergenossin.
„Eunmi?“, fragte sie leise, als sie die Asiatin an der Tafel stehen sah.
„Heute ist wohl Musik dran“, sagte die Angesprochene lediglich und schluckte laut hörbar.
„Eunmi...wir müssen es den anderen erzählen. Sie müssen wissen, was sie erwarten wird.“
„Was soll das denn bringen? Ich weiß, dass Gina und auch Esmeé schon Fluchtpläne schmieden. Nur ganz ehrlich selbst, wenn wir hier rauskommen sollten. Wenn diese Stadt genauso drauf ist wie die Alte, denn werden die unsere Flucht zu verhindern wissen.“
Eunmis ernstes Gesicht jagte der Blonden einen kalten Schauer über den Rücken.
„Aber das ist doch Wahnsinn, es muss doch...“, weiter kam Jennifer aber nicht, denn die Tür hinter ihr öffnete sich und die anderen kam in die Küche, um nun auch den Abwasch zu erledigen.
„Was steht heute an?“, fragte die kleine Suri und stellte sich dicht neben die Asiatin.
„Geigenunterricht wie es aussieht und wir werden wieder besucht“, erwiderte Eunmi emotionslos und ließ ihren Blick nur kurz zu der Schwarzhaarigen huschen.
Leises Murmeln entstand, während sie gemeinsam ihre Aufgabe erfüllten.
Viel Zeit für irgendwelche Gedanken gab es allerdings nicht, denn natürlich erwartete Mrs. Light die Schülerinnen pünktlich im Kreativraum.
Keines der Mädchen schien eines tatsächliche Form der Motivation zu zeigen, aber besonders, bei Eunmi und Jennifer war zu spüren, dass die Gedanken nicht beim Unterricht waren. Die Grauhaarige musste die Beiden des öfteren um Konzentration und Aufmerksamkeit bitten und wurde immer weniger gnädig mit den jungen Damen.
Schließlich war die Einführung aber vorbei und es war an der Zeit, dass die Theorie praktisch umgesetzt wurde und die Mädchen konnten endlich zu den Geigen greifen und den Raum mit den Anfängen ihrer musikalischen Entwicklung erfüllen.
Dass die Grauhaarige den Raum nicht mit zugehaltenen Ohren verlassen hatte, grenzte wohl an ein Wunder und es wurde ihr bewusste, dass die Mädchen an diesem Tag noch einiges zu tun hatten, bevor sie ihr können dem angekündigten Besuch präsentieren konnten.
Nach drei Stunden intensiven Übens kam endlich die Mittagspause in Sicht es blieb noch ein wenig Zeit bis sie zum Essen erscheinen mussten, also versammelte sich alle sechs im Zimmer von Jennifer und Eunmi.
„Wir müssen endlich etwas unternehmen!“, sprudelte es aus Esmeé hervor.
„Aber wie sollen wir das machen?“, erwiderte Suri mit traurigem und verzweifeltem Ton in ihrer Stimme.
„Das ist doch erst mal nicht interessant. Wichtig ist, dass wir alle zusammen halten oder?“, sagte Gina wiederum und schaute Julia an, die auch zum Sprechen ansetzte.
„Naja ganz planlos sollten wir nicht an die Sache herangehen, finde ich. Natürlich ist auch der Gedanke und Zusammenhalt wichtig, nur wette ich, dass die Alte sich für einen Fluchtversuch gerüstet hat. Wir müssen vorsichtig sein.“
„Aber zu lange warten sollten wir auch nicht. Wer weiß, was die Frau noch so alles geplant hat“, fügte Jennifer mit besorgter Stimme hinzu.
Von Eunmi kam allerdings nur ein leichtes Nicken, während sie an den Falte ihres Rockes nestelte.
„Eunmi, ist alles in Ordnung?“, fragte Suri vorsichtig und schaute mittlerweile so besorgt drein, wie Jennifer dies zuvor schon getan hatte.
Eine angespannte Stille entstand in der alle Augen auf die junge Asiatin gerichtet waren. Endlich schaute diese auf sagte nur: „Klar.“
Der Abend kam schneller als erwartet und nach weiteren endlosen Stunden des Übens und Lernens schienen die sechs tatsächlich bereit für eine erste Präsentation ihrer Fortschritte.
Wie schon vor einigen Wochen schlüpften sie in die schicken mintfarbenen Kleider und machten sich für den anstehenden Besuch präsentabel.
Allerdings war dieser Abend etwas anders als der letzte, an dem sie jemandem vorgestellt wurden.
Statt eines Mannes saßen an diesem Abend gleich drei Herren im Empfangsbereich des Hauses.
Die Mädchen stellten sich zusammen mit ihren Geigen vor die Treppe in den ersten Stock und sahen zu Boden.
Erst als Mrs. Light das Wort ergriff, hoben die jungen Schülerinnen ihren Blick: „Nun Mädchen, wie ihr seht haben wir die Ehre gleich drei Gäste in unserem Haus begrüßen zu dürfen. Ich möchte euch
Milow Williams (von Jannie),
Lewyn Rose (von Darkuro) und
Oldowan Acheuléen (von RocketJo) vorstellen. Wie Herr Nosferatu sind auch sie Bewohner unserer kleinen Stadt und möchten sehen, wie ihr euch bei eurem Studium anstellt.
Also zeigt ihnen euer Bestes.“
Kaum waren die Worte gesprochen, griffen die jungen Damen zu ihren Geigen und begannen ein Stück zu spielen, welches sie gemeinsam im Unterricht einstudiert haben, um es für den Besuch zu spielen.
Die Männer erhoben sich von dem großen Sofa und traten näher an die Mädchen heran, um diese eingehend beobachten zu können. Hin und wieder warfen diese den Männern kurze Blicke zu, konzentrierten sich aber lieber auf ihre Aufgabe. Immer schön gute Miene zum bösen Spiel machen.
Jennifer dachte dabei an Eunmis Worte. Tatsächlich schienen die Männer einer ähnlichen Überzeugung zu sein, wie ihre Lehrerin, warum sonst, sollten sie sich auf diese Besuche einlassen. Was war nur los mit dieser Stadt?
Währenddessen schien Julia in das Interesse der Männer gelangt zu sein. Sie standen auf einem Haufen und hefteten ihre Augen auf das Geigenspiel der Schwarzhaarigen.
„Na die Kleine gefällt mir“, kam es aus dem Mund des Rothaarigen.
„Lewyn, Sie glauben doch wohl nicht auch nur ansatzweise in der Position zu sein, irgendwelche Wünsche zu äußern. Keiner von uns ist das, aber wäre dem so, sollte wohl dem Ältesten diese Ehre gebühren. Zeigen Sie etwas mehr Respekt“, erwiderte der Älteste mit erbostem Blick.
Die nächste Stunde verbrachten die beiden Männer damit sich wie zwei Hähne miteinander zu streiten und um die Gunst er Auswahl zu Kämpfen, während Milow versuchte zwischen ihnen zu vermitteln und den Streit zu schlichten.
Glücklicherweise ging der Abend dann aber auch vorbei und die drei Männer verabschiedeten sich von Mrs. Light und ihren Schülerinnen.
Die alte Dame schickte ihre Mädchen ins Bett und zog sich in ihr Büro zurück, um über ihr weiteres Verfahren nachzudenken. Nach ewigem Hin und Her, hatte die Grauhaarige einen Entschluss gefasst und griff zu ihrem Telefon.
„Guten Abend Milow, ich möchte mit Ihnen über die junge Julia sprechen.
Die Zwischenbilanz:
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